Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe

08. August 2024, Bonner General-Anzeiger

Bonner Podium zur Provenienz-Forschung

Podium im LVR-LandesMuseum diskutiert über die Provenienz-Forschung und die Rückgabe von Werken, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden.

Atelierfoto Marx
Bonner Podium zur Provenienz-Forschung. FOTO: GUDRUN VON SCHOENEBECK

VON GUDRUN VON SCHOENEBECK
Markus Eisenbeis hat keine Angst davor, „ein wenig Stimmung zu machen“. Durch die klaren Worte des Inhabers des großen Kölner Auktionshauses Van Ham kam unlängst im LVR Landesmuseum eine spannende Diskussion in Schwung, die souverän von der Bonner Juniorprofessorin für kunsthistorische Provenienzforschung Lucy Wasensteiner moderiert wurde. Es war der Abschluss einer Ringvorlesung des Masterstudiengangs Provenienz-Forschung der Universität Bonn. Sammlungen, Kunsthandel, Archive und Wissenschaft sind damit befasst NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter zu erforschen und wenn möglich zu restituieren. Grundlage dafür sind die elf Leitsätze der „Washingtoner Erklärung“, die aber rechtlich nicht bindend sind. Wie ein wirksames Zusammenspiel der Institutionen und des Handels eingerichtet oder verbessert werden kann, ist noch nicht so richtig geklärt. So entstehen komplexe Fragestellungen.

25 Restitutionsfälle pro Jahr
Eisenbeis erzählte, dass in seinem Hause etwa zwei bis drei und bei allen großen deutschen Auktionshäusern zusammen etwa 25 Restitutionsfälle pro Jahr bearbeitet würden. Wenn das Kunstwerk in der Lost Art-Datenbank – hier werden Kulturgüter dokumentiert, die den Verfolgten der NS-Diktatur entzogen wurden – eingetragen sei, sei es faktisch unverkäuflich. Daher gehe es oft gar nicht um eine tatsächliche Rückgabe des Kunstwerkes, sondern um eine gütliche Einigung zwischen Einlieferer und rechtmäßigem Eigentümer, bei der dann der auf der Auktion erzielte Verkaufserlös geteilt wird. Dabei werde der Einlieferer, der das Werk rechtmäßig erworben und meist gar nichts mit seiner Vorgeschichte zu tun gehabt habe, gewissermaßen ebenfalls „enteignet“.

Eisenbeis bemängelte den seiner Ansicht nach oft übertriebenen Aufwand für die Provenienz-Recherche, den das Kulturgutschutzgesetz (KGSG) pro Verdachtsfall auf NS-Raubgut fordere – und zwar unabhängig vom erwarteten wirtschaftlichen Erfolg. „Wir übernehmen die moralische Verantwortung, aber dieser Aufwand ist nicht verhältnismäßig. Die Politik will Gutes, erreicht aber oft die Verhinderung von Restitution – und der Markt ist derzeit ziemlich verunsichert.“

Christoph Zuschlag, Professor für Provenienzforschung an der Uni Bonn, wollte die Kritik nicht ohne Weiteres stehenlassen und verwies auf den fortwährenden dynamischen Prozess mit vielen Akteuren, in dem die Restitutionsfragen stecken, insbesondere, wenn geraubtes Kulturgut aus kolonialen und weiteren Unrechts-Kontexten einbezogen würde. Eine interessante Einrichtung ist in diesem Zusammenhang das Rheinische Archiv für Künstlernachlässe (RAK), das Daniel Schütz leitet. „Wir sammeln keine Werke von Künstlern, sondern die dokumentarischen Nachlässe und treten auch schon mal proaktiv an interessante Künstler heran. Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen Künstlern und Kunsthandel.“

Weniger nüchtern ist die Arbeit von Jasmin Hartmann, deren Koordinationsstelle für Provenienzforschung in NRW institutionelle und auch private Anfragen beantwortet und versucht, die Forschungsinfrastruktur und Wissenskommunikation zu verbessern. „Wir brauchen eine große Infrastruktur in der Provenienzforschung, das wird aber von Politik und Wissenschaft häufig nicht mitgetragen. Es ist wichtig, dass man auf die Forschungen und das Spezialwissen, das oft mit Steuermitteln geschaffen wird, einen systematischen Zugriff hat. Zurzeit kann dieses Wissen aber nicht immer abgerufen werden.“

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